Rezension, Baby!

"TV-Lounge – In- und Auslandsverbindungen"

Ödnis und Überdruss 
Der Hamburger Carsten Klook und Andreas Stichmann aus Leipzig lesen im Literaturhaus Hamburg

 
Es ist nicht schwer, sich vom fundamentalen Elend des Daseins zu überzeugen. Eine runde Summe Schlafentzug und schon wird jeder Ton stumpf, jede Farbe blass, jeder Gedanke leer. Angenehmer ist es, zu solchem Zweck Carsten Klook zu lesen, genauer: seine im Band "TV-Lounge" versammelten Geschichten. Die führen den Leser mitten hinein in die Ödnis des Unverbundenen, in die Wälder des Überdrusses – zumal, wenn man den Schummel der Literatur willens ist zu schlucken: Denn vom Überdruss zu lesen macht bei Klook durchaus Lust auf mehr.
So groß die Vereinzelung, so kalt erscheint die Gesellschaft bei Klook. Von dem Protagonisten der ersten Geschichte "Senna!" heißt es sezierend, Beziehungen zu Frauen hätten bei ihm nie länger gehalten "als 1.200 Betriebsstunden". In einer anderen Geschichte erzählt ein Redakteur für Fernsehzeitschriften, er habe im letzten Jahr mehr als 500 Geschlechtsakte auf der Mattscheibe flimmern gesehen. Die Zahl der erlebten Berührungen bleibt weit dahinter zurück. 20 Mal hätte man ihm die Hand gegeben, zur Begrüßung oder zum Abschied.
 
Klook schreibt knapp, lakonisch – wie sollte es bei der Thematik anders sein. Ferien in Italien schildert er so: "Eine Wespe lässt sich auf einem Arm nieder. Und hebt wieder ab. Holzschalen liegen zum Trocknen auf dem Steinmosaik der Terrasse. In der Ferne röhrt ein weiteres Mofa einen Berg hinauf. Jemand guckt unter den Tisch. Jemand ist im Auto." Manchmal schrumpfen die Sätze auch auf das Stakkato von Signalwörtern zusammen: "Die Sonne. Der Atem. Die Haare. Das Salz." Zwar hat schon Benn so geschrieben. Aber lesen tut es sich noch immer gut.

MAP, die tageszeitung
 
17. 3. 2009, 20 Uhr, Literaturhaus, Schwanenwik 38


 
Korrektor & TV-Lounge: In- und Auslandsverbindungen by Carsten Klook


Since this one probably won´t be translated (maybe to Plattdeutsch?), why bother with foreign languages? Klook ist Norddeutscher, das merkt man sofort, dazu Journalist, das merkt man nicht unbedingt, und schon mit "Korrektor", seinem um 1990 entstandenen Romandebüt, war offensichtlich, das seine Verbalakrobatik (á la "Top-Sekrete aus den oberen Himmelsbereichen", "Unerlöste Klammer-auf-Klammer-zu-Schicksale", oder "Sonntagsfahrer, an den Kantsteinen die Schleifspuren der Alltage, sie schaben sich zurecht") direkt an das assoziative Erbe eines Arno Schmidt andockt und dessen krooked Penmanship indirekt fortführt. Mit "TV-Lounge", seiner neuen Sammlung von Shorts, entwirft Klook u.a. den ultimativen Toskana-Trip eines gelangweilten Jerk-off-Kinds, Momentaufnahmen einer gescheiterten Blitzreise und andere Psychokonstellationen. Northern Comfort anyone?

Lodown Magazine 58 (Oct/Nov 2007)



Beunruhigend
 
Nervöse Erzählungen von Carsten Klook

 
Wer nur „Arnd“ heißt, hat schon Glück gehabt. In „TV-Lounge“, dem neuen Erzählungsband von Carsten Klook, werden die Hauptfiguren (von „Helden“ möchte hier niemand sprechen) schon durch ihren Namen stigmatisiert und an den Rand einer Gemeinschaft gedrängt, die sich vor allem durch ihren plärrenden Leerlauf auszeichnet. Widerstand ist zwecklos, und so nähern sich Zenner, Seidel und vor allem Spollt dem Nullpunkt an, ohne freilich dort ankommen zu können. Zenner, für den eine Beziehung nie länger als „1200 Betriebsstunden“ hält, verebbt als Mensch in jenem Urlaub, der ihn eigentlich wieder auf die Beine bringen sollte, und Spollt muss feststellen, dass ihn sein Job in einem monströsen Verlag für Fernsehfachzeitschriften ausschließlich mit kaltgelackten Medienzombies zusammenbringt. Klook (Jg. 1959) hat seinen Charakteren jene nervös spielende Sprache verpasst, die genauso brüchig ist wie die Realität, durch die sich die Figuren bewegen. Beunruhigende Momentaufnahmen aus der Reaktorkammer der Gegenwart.
 
Carsten Klook: TV-Lounge. Textem Verlag 2007, 181 Seiten, 14 €
 
15. August 2007 Kieler Nachrichten (kuj)

Abwechslsungsreich
Das Buch „TV Lounge – In- und Auslandsverbindungen“ vereint fünf Erzählungen des gebürtigen Hamburgers Carsten Klook. An verschiedenen Handlungsplätzen lässt der Schriftsteller Personen auftreten, die alle eine tiefe, innere Unsicherheit vor dem Unvorhergesehenem eint. Er beschreibt Menschen, die mit anderen Menschen beschäftigt sind, aber noch viel mehr mit sich selber. Dabei kann man getrost die ersten drei Erzählungen überspringen und sich den letzten beiden annähern, denn nur diese sisnd Klook gelungen. Eine der beiden heißt „Elastische Füllung“. Hier wird man Beobachter eines Dramas, das sich vor finnischer Kulisse abspielt. Seidel, stolzer Sportwagenbesitzer und Agenturchef – in dieser Wertigkeit! – fährt mit Caren in den Finnland-Urlaub. Auf dieser Reise nimmt das Drama seinen Lauf, je mehr man über die beiden erfährt, die am Anfang der Geschichte nur undeutlich umrissen werden. Nach und nach werden biografische Informationen gestreut, die immer einer Lebensvorstellung gegenüber gestellt werden. Diese sind geprägt von Ängsten, Verzweiflung und Unruhe. Die Personen haben eine Idee von sich selber, die sich aber nicht mit der Wirklichkeit verträgt. Zum Schluss kommt es nicht nur in dieser Geschichte zu einer Trennung: von einem Partner oder von einer eigenen Lebenseinsstellung. Die Sprachakrobatik des Schriftstellers wirkt teilweise etwas angestrengt. Aus dieser Anstrengung heraus entstehen Irritationen für den Leser, die manchmal im Verständnis für die Protagonisten nicht sehr hilfreich sind. Es ist schwer, den emotionalen, gedanklichen Verstrickungen zu folgen. Wo der Autor eine Geschichte wachsen lässt, den Handlungsrahmen enger strickt, wie in den letzten beiden Erzählungen, öffnet sich dem Leser eine Welt, die er deutlicher verstehen kann, geprägt durch die Phänomene der heutigen Zeit: der Suche nach dem Sinn und dem Mangel an Klarheit. Die Helden und Heldinnen des Alltags schrumpfen dann in sich zusammen und sind dadurch völlig überfordert mit dem Leben umzugehen.
 
Carsten Klook: TV-Lounge – In- und Auslandsverbindungen, Textem Verlag 2007
 
Marcel Müller in: Style & The Family Tunes Juli/August 2007


In der Buchhandlung wäre ich wahrscheinlich daran vorbeigegangen: „TV-Lounge – In- und Auslandsverbindungen“. Wilde Assoziationen bilden sich in meinem Kopf und ich ahnte nicht, wie sehr ich damit dem Kern dieses Energiebündels nahe komme.

Sprache ist zum Spielen da! Carsten Klook geht seinen, im „Korrektor“ aus dem Jahr 2005, begonnenen Weg weiter. Grammatikalisch muss man sich hier auf Neuland einstellen. Er spielt eher mit den Worten als dass er sie in Reih und Glied zielgerichtet anordnet. Wundert man sich anfangs noch über die Wort- und Satzneuschöpfungen, ist bald bewusst geworden, dass hier, aller Irritation zum Trotz, jemand am Werk ist, der weiß, was er tut. Man hat nicht das Gefühl, dass man jede Zeile verstehen muss, die Klook schreibt. Im Gegenteil: Die Bedeutungsfragmente setzen sich schon irgendwie zusammen. Je nach Prägung und Vorliebe des werten Lesers. Aber trotzdem in ihrer Wirkung ungebrochen. Er schreibt wie er denkt – möchte man meinen. Im Idealfall kann man seine schweifenden Ideen nachvollziehen – oder glaubt es zumindest. Manchmal ist man sich sogar sicher, dass man weiß, warum Klook genau dieses Wort nun an genau jener Stelle benutzt. Ob man damit richtig liegt ist zweitrangig, denn im nächsten Moment ist man schon wieder in der Verschriftlichung verloren und sucht nach Erklärungen.

Er zeichnet seine Bilder mit einer Sprache, die sich über Grenzen hinwegsetzt, welche vorher noch nicht einmal sichtbar waren. Die eindrucksvolle Greifbarkeit dieser mag sich nicht jedem erschließen. Und das ist auch gut so. So gut es eben sein kann. Das Wesen des Buches ist der Form dementsprechend auch nicht allzu fern: Der gebürtige Hamburger erzählt in fünf Geschichten von Einsamkeit und wie sie von seinen Figuren, nach Antworten suchend, zerpflückt wird – freilich ohne sie zu besiegen oder zu ergründen. Hoffnung sieht anders aus. Das wird hier schnell klar. 
Mit schmerzhafter Kälte schildert „TV-Lounge – In- und Auslandsbeziehungen“ Situationen, Gefühle und Momente, die der Leser gut kennt und von denen er weiß, dass gerade dies die Tatsache ist, die ihm Angst machen sollte. 
In den Episoden von Einsamkeit und Leere findet man sich schnell wieder. Zu schnell. Eine Identifikation, die nachdenklich stimmt. Kein schmunzelndes „Ja-das-kenn-ich-nur-zu-gut“-Feeling oder eine schmachtende „Ach-ich-weiß-wie-sie-sich-jetzt-fühlt“-Melancholie; eher eine, dezent in die Kniekehlen tretende, „Das-bin-ich“-Erkenntnis.
Die Trostlosigkeit. Kein Halt, kein Sinn, kein Wärme. Verlorene Schicksale, die sich einander annähern, um sich dann wieder gegenseitig abzustoßen. Der Kreislauf unserer Zeit. Nicht das originellste Thema! Nur selten so erfrischend und wenig pädagogisch wertvoll vermittelt wie hier. Von Gutmensch-Appellen bleiben wir verschont. Ebenso von überspitzten Inszenierungen. Klook überlässt dem Leser die Drecksarbeit, sich mit der Quintessenz auseinanderzusetzen und lässt sie frei wirken. Man neigt dazu, anzunehmen, dass er dies noch nicht mal mit voller Absicht tut.
Dieses Buch ist ein Experiment, auf das man sich einlassen sollte, sich auch nach den ersten Seiten zu überwinden, weiterzulesen, um dann zu entscheiden, ob man mit Klook weiterreist oder unterwegs aussteigt. Die Dinge, die er zeigt, sind es aber wert, sich seinem Stil anzupassen. Was mit der Zeit immer leichter fällt. 
„TV-Lounge – In- und Auslandsbeziehungen“ ist nicht das Buch, das stundenlang wach hält; es ist das Buch, das am nächsten Morgen unschuldig daliegt, gleichgültig – aber wissend, dass man es wieder in die Hand nehmen muss, um sich tiefer in die Faszination der Leere zu graben. In immer wieder neue Spielarten der Selbsterkenntnis, aufbereitet ohne Gebrauchsanweisung. 
Klook lässt seine Charaktere oft zurückblicken. Schlüsse ziehen, die sogleich wieder an der Realität zerschellen. Man kann sich schwer ein Buch vorstellen, das dermaßen dazu prädestiniert ist, es in ein paar Jahren wieder zu lesen, um selber zu sehen, was sich im eigenen Leben verändert hat. In den Geschichten, den Bildern und dem, was diese über den Menschen offenbaren, der gerade zurückblickt.
 
Carsten Klook, 1959 in Hamburg geboren, bringt mit der „TV-Lounge – In- und Auslandsverbindungen“ den Nachfolger zu seinem Erstling „Korrektor“, ebenfalls im Textem-Verlag erschienen, in die Regale. 

Philipp Sälhoff, P*U*S*H*-Magazin Mai 2007

 

Post-Pop: Erste Lesung im "Weltruf" (Kiel)

Betonwüstene Wohnghettos in Hamburg-Billstedt, Fürst-Pückler-Erinnerungen an frühe Iglo-Tage, unerlöste Klammer-auf-Klammer-zu-Schicksale" – und mittendrin Adoleszenten, die in englischen Pop-Musik-Zitaten denken und wenig Sex, aber dafür viel 'n'Drugs'n'Rock'n'Roll haben. Das Szenario in Carsten Klooks Kurzgeschichten und seinem Roman "Korrektor" ist allzu bekannt und daher immer wieder gern gehört.

Was die Regners und Goosens vorgemacht haben, es lässt sich in immer neuen Facetten noch einmal erzählen. Erinnerungsarbeit der Post-Pop-Literaten, die nach den immerhin noch halbwegs gegenwärtigen 90ern nun zwei Jahrzehnte vorher aufrollen und abschnurren. In die neue Stereo-Kultur-Bar Weltruf mit ihrem Retro-Charme eines englischen Pubs passt solche Vintage-Prosa freilich perfekt – eine schöne Premiere für die Lesungen, die regelmäßig dortstattfinden sollen. Und da passt es auch gut, dass Weltruf-Betreiber Jens Lause hernach die Prä-Popperin Hildegard Knef auflegt – übrigens von einem Sampler des Hamburger Labels "Marina Records" von Frank Lähnemann, dessen Roman "Polyesterliebe" den zweiten Teil der Lesung bestreitet.

Doch zurück zu Carsten Klooks "Korrektor", einer Vater-Sohn-Geschichte, sich auflehnend aus der Kinderzimmerenge, wie man das in den 70ern eben tat. Wo Klook in seinen Kurzgeschichten recht konventionell durch Kneipen und abgestürzte Partys zieht, wortmetzt er im Roman mit jener (pop-)bildungshubernden Sprache des kulturbeflissenen Vaters, gegen dessen "Lernbelästigung" sich Sohn Bernd zu behaupten sucht. Manche Metapher ist da von preziöser Schönheit, manche aber auch von platter Gewähltheit: "Sprachlosigkeit ist der Hustensaft der Andersdenkenden", heißt es da. Und man sagt als Zuhörer: Na ja...

Ob Frank Lähnemann weiß, dass er mit seiner Polyesterliebe – der Geschichte von Marc, der sich in eine Schaufensterpuppe verliebt und nun eine ganze Odyssee durch die Stil- und Flirtsünden der Post-Pop-Ära lang auf der Suche nach deren Ebenbild aus Fleisch und Blut ist – eine ur-romantische Parabel zitiert, nämlich die Maschinenfrau Olimpia in E. T. A. Hoffmanns "Der Sandmann?" Dass eine solche romantische Obsession in den härteren Zeiten globalisierter Desillusionierung ankommen muss, vielleicht ist das die Botschaft, die uns Lähnemanns Polyester-Prosa vermitteln will. Oft freut sich der Erzähler jedoch vor allem an seiner Kunst: einem Ich-Kreisel in auktorialer Erzählhaltung. Erinnerungsarbeit, wie es war, aber nicht mehr ist – so ganz romantisch verpuppt.

Kieler Nachrichten, Februar 2006