INTERVIEWS, PORTRÄTS UND PRESSESTIMMEN zum Roman

 

 

Auf Literaturkritik.de (Nr. 6, Juni 2012, deutschsprachige Literatur) ist eine schöne, verständige Rezension von Stella Hoffmann zu Stadt unter erschienen:
 
„Word-Splatter-Moves“ und entautomatisierte Wahrnehmung

„Stadt unter“, so heißt der neue, postmoderne Roman von Autor und Kulturjournalist Carsten Klook, der Kriminalroman, Meta-Text und Spielwiese in einem zu sein scheint

Künstlerhaus, Klischees, Konstruktionen – Katastrophe?! Oder heißt es doch gleich wieder: Kommando zurück? Carsten Klooks neuester Roman „Stadt unter“ entstand zum Teil während seines Stipendiums im Künstlerhaus Lauenburg/Elbe. Der geneigte Leser sollte sich jedoch nicht gleich von dem ersten Absatz, der wie folgt beginnt: „Grünbraun-graphitgrauer Strom, blau meliert tanzende Flächen, die Kuppen der wellgepappten, weggewellten… wollt ihr ewig wellen, willig wippen… ihr umkräuselnden, umhergekräuselt-daher-gekrault-kommenden, lendenumspülenden Wogen“, abschrecken lassen, sondern etwas Durchhaltevermögen beweisen. Es lohnt sich, die Geschichte des erfolglosen Drehbuchautors Marc, der sich gerade an einer Folge für den neuen „Kommissar Hock“ die Zähne ausbeißt, sowie von dem „Chintzwesen“ Jill, die er in einem Lauenburger Café kennen lernt, bis zum Ende zu verfolgen.

Doch worum geht es dem Autor Carsten Klook überhaupt? Frei nach dem Motto „Nicht überall, wo Liebesgeschichte draufsteht, ist auch wirklich nur Liebesgeschichte drin“ hält er eine ganze Palette von Roman-Genres bereit. Immer wieder nimmt er seine Leser bei der Hand und führt sie behutsam und mit direkten Verweisen unterstützend auf die richtige Spur. Auf den ersten Blick scheint es, als versuche Marc, ein Krimi-Drehbuch zu schreiben. Klook überführt ihn jedoch bei der „Dekonstruktion seines Möchtegernkrimis“. Zuweilen scheinen sich die Stimmen von Autor Carsten Klook und Drehbuchautor Marc sogar zu überlagern. Während Marc Kritik an den „sterbenslangweiligen Fernsehkrimis“ übt, wirkt dies wie ein Unterton zu Klooks Kritik an der aktuellen Medienwelt, die ihren Bildungsauftrag bedenkenlos den verspielten Teletubbies überträgt.

In seinem postmodernen Roman scheinen dem Autor keine Grenzen gesetzt zu sein. Immer wieder verstrickt er sich in neue Wortspiele und Assoziationsketten wie „Till Lauenspiegel“. Oder aber er lässt Marc sich fragen, in welche Richtung er seine Protagonisten wohl „schicken würde. Chicken-Würde McNuggets, dachte Marc im Traum und bekam Hunger“. Klook spielt mit dem Leser, der in den konstruierten und anschließend dekonstruierten Krimi-Klischees seine eigene Erwartungshaltung entdeckt und sich dabei auf die eigenen Füße getreten fühlt. Wer weiß schließlich nicht, dass immer derjenige der Täter ist, den „man am wenigsten dafür hielt“ und dass zu jedem guten Krimi eine rasante Verfolgungsjagd gehört? Rücksichtslos bricht Klook mit den Konventionen, wenn er zwischen „die buntesten und schillerndsten Keramiktiere, […] Teller und Tassen“ völlig unerwartete „Brokatkissenschlacht-Fetzen“ und „Skalps“ setzt. Er bricht jedoch nicht nur mit gängigen Sprachbildern, sondern auch mit Phrasen, und so malte sich Jill ein Bild nicht vor dem inneren Auge, sondern „vor dem inneren Ohr aus“.

Seinen Protagonist Marc lässt er immer mehr in seine eigene Traumwelt abgleiten, sodass im Endeffekt weder er selbst, noch der Leser so ganz genau weiß, was nun der fiktionalen Realität entspricht oder gänzlich dem Reich der Fantasie angehört. Zeitweilig scheinen Marcs Figuren wie Frankensteins Monster zum Leben zu erwachen und versuchen ihrem Erfinder zu schaden, indem sie sein Skript löschen. Durch einen kurzzeitigen Perspektivenwechsel, in dem Klook von einer Ich-Erzählung zu einer neutralen Erzählsituation springt, wird Marc vom Subjekt zum Objekt seiner Erzählung. In einer anderen Szene beschreibt Marc den Verlauf einer typischen Tatort-Szene, und somit werden sowohl er als auch der Leser zu einem außenstehenden Betrachter.

Doch was bezweckt Carsten Klook mit seinem neuen Roman? Möchte er die Geduld und das Wohlwollen seiner Leser testen? Immer wieder reißt er sie durch verwirrende Sätze aus ihrem Lesefluss und scheint diesen durch seine Kommentare und direkten Hinweise zu leiten oder gar zu manipulieren. Selbst vor dem Layout macht der Autor keinen Halt und tobt sich in ihm aus wie auf einer Spielwiese.

Er setzt verwirrende Fußnoten, die an die Labyrinth-Struktur des Romans „House of leaves“ von Mark Z. Danielewski erinnern, und die Kapitelüberschriften rutschen gegen Ende des Textes von der Kopf- in die Fußzeile. Auch diese Modifizierung des Layouts dient dem Bruch mit den Erwartungen des Lesers. Jorge Bucay sagte einmal: „Kindern erzählt man Märchen zum Einschlafen – Erwachsenen, damit sie aufwachen!“ Der Leser wird durch diese Neuerung im Aufbau wachgerüttelt. Am Ende wird er jedoch feststellen, dass Klook bis zum Ende seiner (Meta-)Erzählung seinem Prinzip treu geblieben ist. Doch was bewirken seine und Marcs so genannten Word-Splatter-Moves? Wozu dienen sie?

Viktor Šklovskij bezeichnete Kunst als ein Verfahren zur Entautomatisierung der Wahrnehmung. Ob Carsten Klook mit seinem Roman diesen Zweck verfolgte, können wir nicht wissen. Dennoch kann der immer wieder aufschreckende und aufgeschreckte Leser konstatieren, dass Klook dies auf jeden Fall gelungen ist, wenn es ihm denn um diese besondere Form der Aufmerksamkeit gegangen sein sollte. Kurz: Carsten Klooks Roman „Stadt unter“ ist ein amüsanter Genuss für Freunde des raffinierten Wortspiels in jeglicher Façon sowie der experimentellen Prosa.

Stella Hoffmann

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INTERVIEW-LOUNGE

Die Journalistin Kerstin Carlstedt führte mit mir am 17. Januar 2012 ein Interview, das auf diesem Portal zu sehen ist.

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CARSTEN KLOOK: EIN MANN, VIEL KUNST

Porträt von Christine Weiser (Hamburger Abendblatt, 26. Januar 2012)


Eine Wasserleiche spielt eine große Rolle in Carsten Klooks neuem Buch „Stadt unter“. In Lauenburg wird sie aus dem Fluss gefischt. Wieso sie den Drehbuchautor Marc schier zur Verzweiflung treibt, erfahren Besucher heute Abend ab 20 Uhr im Café Mondmann. Dort liest Carsten Klook auf Einladung von Professors Pierangelo Maset von der Leuphana Universität in der Reihe „Kunst und Pop“.
„Ich habe in dem Roman Krimi-Klischees hochgenommen. Der Drehbuchautor Marc, der unbedingt einen Krimi abliefern will, hat nur diese kleine Idee mit der Wasserleiche, doch dann verheddert er sich immer wieder und die Geschichte dekonstruiert sich selbst“, sagt der Hamburger Autor. Aber nicht nur ein Kriminalfall und ein Autor, der sich mit einer Schreibblockade herumplagt, finden in dem Text Platz. Es bleibt auch noch Raum für eine Liebesgeschichte und die wiederum nimmt Einfluss auf den Verlauf der Krimihandlung.
An dem Ort der Handlung, in dem kleinen Städtchen Lauenburg, kennt sich Carsten Klook gut aus. Dort war er vor einigen Jahren Stipendiat im Künstlerhaus. Anders als in seiner Heimatstadt Hamburg war es für den 52-Jährigen in Lauenburg leicht, sich auf die Schriftstellerei zu konzentrieren. „Neben dem Austausch mit anderen Künstlern war der Blick auf die Elbe einfach großartig. Damit muss man erst einmal klarkommen, mit dem ganzen Wasser.“ Viele gute Ideen seien ihm draußen, auf der Terrasse, meistens jedoch in Flussnähe gekommen.
Auf einer Veranstaltung in Lauenburg sprach ihn schließlich auch Professors Pierangelo Maset an und lud ihn ein, Studierenden sein Buch vorzustellen. Immer wieder bitten die Lüneburger Wissenschaftler Menschen, die im Kulturleben als Galeristen, Verleger, Übersetzer, Künstler oder Schauspieler aktiv sind, etwas über ihre Arbeit zu erzählen. Beleuchtet werden sollen Lebensmodelle und Strömungen, gerne auch abseits des Kunst-Mainstreams. Carsten Klook hat sich bisher künstlerisch auf sehr vielen verschiedenen Feldern ausprobiert und ist damit prädestiniert, über Anknüpfungspunkte zwischen Kunst und Pop zu sprechen. Der
Hamburger war schon immer kreativ: In den 80er- und 90er- Jahren schrieb der Journalist und Autor Musikkritiken. Später erarbeitete er selbst Hörspiele und Audio-Collagen. Im Lauf der Jahre hat er vier CDs veröffentlicht und für Radio Bremen das Hörspiel „Die Reise nach Worpswede“ realisiert.
Auch im Schreiben und Zeichnen fühlt sich Klook zu Hause. Unter anderem fu?r die Wochenzeitung Die Zeit hat er Literaturkritiken geschrieben. Aber auch eigene Texte hat er verfasst. Eine Figur aus seinem ersten Roman „Korrektor“, der im Jahr 2005 erschienen ist, spukte ihm besonders lange im Kopf herum. Schließlich wurde sie im aktuellen Text neu verarbeitet. „Das war so ein Kriminalkommissar, wie man sich ihn vorstellt. Und es macht Spaß, mit solchen Klischeefiguren zu spielen“, sagt der Schriftsteller. Genregrenzen interessieren ihn dabei nicht besonders.
Gute Ideen schon. Und davon hat Carsten Klook viele. Anschaulich zu bestaunen sind einige davon in dem Buch „Tattoovorschläge für Headbanger und Bedhanger“, das im Ausnahmeverlag erschienen ist. Delfine, Rosen, Tribals und andere Tattoo-Motive, die hunderttausendfach auf Waden, Steißbeinen und Oberarmen durch Deutschland getragen werden, sind darin nicht zu sehen. Er habe möglichst abwegige Vorschläge für den Langzeit-Körperschmuck gesucht, sagt Klook. Wer seinen Vorschlägen folgt, kann sich den durchsichtigen Stoiker auf Partnersuche oder den leise nörgelnden Eremiten in die Haut stechen lassen und sich einigermaßen sicher sein, dass er das Motiv exklusiv hat. Mitgeliefert wird ein Stück fleischfarbene Folie mit Haar, um zu sehen, wie sich die kleinen Kunstwerke auf Haut ausnehmen.
Heute sieht er sich in erster Linie als Autor, auch wenn er nicht ausschließen könne, dass noch einmal ein Gitarrenalbum von ihm erscheint, sagt Carsten Klook lachend. Gestern hat er hat die Textstellen ausgesucht, die das Publikum heute Abend zu hören bekommt.

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INTERVIEW mit Ilka Kreutzträger (taz nord, 15. 1. 2012)

taz: Herr Klook, haben Sie von der Neuseeländerin gehört, die gerade einen Platz auf ihrem Po im Netz versteigert? Der Meistbietende darf ein Tattoo auf ihren Hintern stechen lassen.
Carsten Klook: Das ist doch mal eine schöne Möglichkeit, an Geld zu kommen, und mir fällt auch schon ein Motiv ein. Aber was, sage ich lieber nicht.
taz: Ach, kommen Sie! Sie haben doch kürzlich das kleine Buch "Tattoovorschläge" veröffentlicht, und nun zieren Sie sich.
CK: Mein erster Gedanke war irgendwie daneben. Außerdem ist das Buch nur eine Fibel, die in einer sehr kleinen Auflage erschien.
taz: Sie haben schon auf unterschiedlichsten Wegen Geld verdient, zum Beispiel als Karton-Zertrümmerer.
CK: Das ist ewig lange her! Ich habe neben meinem Studium in einem Riesensupermarkt in Oststeinbek unter anderem an der Kartonpresse gearbeitet. Nichts Aufregendes, aber ich habe Geld verdient und Menschen kennengelernt, die ich sonst nie kennenlernen würde.
taz: Zum Beispiel?
CK: Es gab viele ganz derbe Frauen, die in diesem Supermarkt Dosen ausgepackt haben. Wie die über Männer geredet haben - das hatte ich vorher noch nie gehört. Extrem auf das Sexuelle ausgerichtet, in einer Sprache, die Bukowski noch übertraf. Und solche Einblicke kann man natürlich später verwenden.
taz: Da spricht der Schriftsteller, der sich die Realität anschaut und dann Fiktion daraus macht?
CK: Im Rückblick sieht das dann so aus. Während man das macht, sieht es gar nicht so aus. Man weiß ja nicht, ob einen das Leben da noch mal wieder herausführt.
taz: Sie sind in Billstedt aufgewachsen. Wie war das?
Zum Teil ziemlich hart. Es gab schon damals viel Gewalt. Etwas merkwürdig war es auch, in Billstedt zu wohnen und dort aufs Gymnasium zu gehen. Da war ich schon Outsider, sowohl in der Schule als auch auf den Billstedter Spielplätzen. Mein Vater war Korrektor und hat immer viele Bücher mit nach Hause gebracht. Ich habe viel gelesen, und das alles war in der Gegend natürlich überhaupt nicht üblich.
taz: Ebenso wenig wie Verwandtschaft in der DDR, oder?
CK: Meine Eltern kamen beide von Rügen und sind 1953 in den Westen geflohen. Weil wir immer noch Verwandte auf der Insel hatten, konnten wir weiter hinfahren, und ich war ab Mitte der 60er oft in den Ferien dort.
taz: Welche Erinnerungen haben Sie daran?
CK: Ach, das war eigentlich eine tolle Sache. Rügen ist superschön. Ich kann mich erinnern, dass wir in dem Wald, in dem der Rasende Roland fährt, mit gewehrartigen Geräten, die mein Opa aus Holz geschnitzt hat, Russen gegen Amerikaner gespielt haben statt Cowboy und Indianer.
taz: Und Sie mussten immer der Amerikaner sein?
CK: Ich war schon in der Gruppe der Amerikaner, aber Rüganer waren auch dabei. Natürlich bleibt neben den schönen Erinnerungen auch das Gefühl der extremen Enge hängen. Aber es war dennoch ganz anders, als es uns im Westen erzählt wurde. Es gab in der DDR trotz der Stasi einen Zusammenhalt. Das habe ich natürlich als Kind nicht verstanden, und es ist für mich immer noch schwer nachzuvollziehen, aber so war es.
taz: Sie sind also schon früh mit politischen Fragen in Berührung gekommen. Was haben Sie als Jugendlicher gelesen?
Was man als Jugendlicher eben so liest. Mit 13 oder 14 Jahren ist das Hermann Hesse, und mit 16 Rolf Dieter Brinkmann oder Arno Schmidt. Und ich habe sehr früh von meinem Vater das Buch "Kitsch, Konvention und Kunst" von Karlheinz Deschner in die Hände bekommen. Ich denke, daher rührt auch meine Freude daran, mit Grenzen des guten oder schlechten Geschmacks zu spielen.
taz: Wie meinen Sie das?
CK: Es geht mir in meinen Texten immer darum, Störer einzubauen. Also Worte, die einen vor den Kopf stoßen, bei denen man denkt, was ist denn das für eine komische Formulierung, das ist ja ein total schiefes Bild. Ich habe einen Spaß daran, weil es mich von Konventionen und Normen befreit. Mir geht es immer darum, Erwartungshaltungen zu brechen, und das merkt man ja auch in "Stadt unter".
taz: Das ist Ihr neues Buch, in dem Drehbuchautor Marc in Lauenburg an einem Skript für einen "Tatort" arbeitet.
CK: Ich wollte etwas machen, das sich nicht in einem Genre festbeißt. Es ist eben kein Kriminalroman, sondern ein Roman aus einer Arbeitswelt, der meines Wissens so noch nicht geschrieben wurde.
taz: Sie haben, anders als Ihr Protagonist Marc, wirklich ein "Tatort"-Drehbuch geschrieben.
CK: Ich habe mit einer Kollegin, Anita Guthe, einen "Tatort" geschrieben, der nie realisiert wurde. Er sollte in Berlin spielen. Frank Göhre sagte, das funktioniert. Und Dominic Raacke fand es gut, aber die verantwortliche Redakteurin hat gesagt: Das ist nicht unser Milieu.
taz: Die böse Redakteurin also. Die findet sich in Ihrem Buch ja auch. In welchem Milieu sollte der "Tatort" spielen?
CK: In so ziemlich allen! Es war schon etwas sumpfig, naja, es wurde auf jeden Fall nicht realisiert. Gelernt habe ich, dass beim "Tatort" sehr limitiert ist, was geht und was nicht und so bin ich überhaupt dazu gekommen, Krimi-Drehbuchautoren-Zustände zu beschreiben.
taz: Sie haben lange Jahre als freier Musik-Journalist gearbeitet, um dann einen Job als Fernsehzeitschriftenredakteur anzunehmen. Wieso das?
CK: Ich hatte einfach die Nase voll vom ewigen Geldmangel und der Ungewissheit. Es ist nie klar, ob und wann ein Text gedruckt wird, und dazu wird man als Autor auch noch des permanenten Herumhängens verdächtigt. Ende der 80er Jahre reichte es mir, und ich dachte: Jetzt ist mal Schluss mit Subkultur, jetzt wird Geld verdient.
taz: Das war der einzige Grund?
CK: Naja, der Fall der Mauer bedeutete eine Öffnung, von der wir dachten, man könnte dort irgendwas Musikalisches oder Kreatives initiieren. Aber das ging gar nicht so gut, die hatten ihren eigenen Underground, der zum Teil noch viel verschrobener war, als wir das hier im Westen und in Hamburg so kannten. Dann kam bald diese ganze Nirvana-Geschichte, was dann an so schweren Gitarrenrock anknüpfte. Da hatte sich für mich der Kreis einmal geschlossen, und ich habe mich nicht mehr als Pop-Journalisten gesehen.
taz: Aber Sie haben sich später ohne Not gegen den sicheren Job entschieden.
CK: Ich hatte keine Lust mehr auf die ganze Geldnummer und wollte lieber wieder die Dinge machen, zu denen ich nicht gekommen bin. Ich habe dann zwei Bücher zu Ende geschrieben, die ich noch herausbringen will. Das dauert bei mir gern etwas länger, weil ich nie erst ein Exposé schreibe, das an einen Verlag schicke und dann auf eine Zusage warte. Ich habe meine Texte immer so gemacht, wie ich es mir vorstellte und mir dann einen Verlag gesucht. Bei meinem ersten Roman "Korrektor" hat das allerdings 14 Jahre gedauert.
taz: Sie müssen ein geduldiger Mensch sein.
CK: Wir werden sehen, was passiert. Geld verdiene ich mit meinen Büchern sowieso fast nicht, und so mache ich nebenher unattraktive Dinge, um Geld zu verdienen. Ich habe aber bestimmte Projekte im Kopf, und für mich ist es ok, wenn ich die realisieren kann. Natürlich brauche ich auch Geld, aber die Erwartungen, die ich mal hatte: zu denken, es sei eine tolle Sache, einen Sportwagen und eine schöne Wohnung zu haben, haben sich nicht als Nonplusultra erwiesen. Das kann man mal ausprobieren, aber ich habe mit dieser Art von Karriere abgeschlossen.
taz: Klingt entspannt.
CK: Nein, ist es nicht! Weil man natürlich ständig Geldprobleme hat und zusehen muss, wie man alles geregelt bekommt. Entspannter war es schon mit einem festen Job, weil man nicht mehr überlegen muss, was man so tut. Aber das höhlt einen so aus, das ich jedem davon nur abrate.

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„Stadt unter“ (nicht nur ) am Ufer der Elbe

Von Eva Albrecht (RZkultur, 12. Februar 2012)

Carsten Klook macht kein großes Gedöns. Er macht einfach. So ist sein Buch „Stadt unter“ entstanden, an dem er 2007 als Literatur­stipendiat im Lauenburger Künstlerhaus schrieb. „Gespenster in der Unterstadt“ übertitelte er sein Manuskript damals, „Stadt unter“ heißt sein 2011 im Hamburger Textem-Verlag veröffentlichtes Taschenbuch. Äußerlich unaufgeregt kommt der 178-Seiten-Roman daher – doch hat er es, wie sein Autor, faustdick hinter den Ohren. Ein leicht absurder Roman in 34 Kapiteln. Ein Teil der verstrickten Handlung spielt in Lauenburg. Auf den ersten Blick unauffällig, hat das Büchlein es doch in sich. Was irgendwie zum Autor passt, der sowohl im Parka auftauchen kann, sich aber auch schon im Jackett mit Nashorn-Figur vor einer Blumentapete fotografieren ließ. Bemerkenswert lakonisch präsentiert Carsten Klook (Jg. 1959) bei Lesungen seinen Text, mit trockenem Witz und irren Gedankengängen. Und immer führt er diese zu einem Ende, mag es auch noch so abstrus sein. Der Literat, der neben dem Schreiben u. a. für ZEIT online die Werke anderer Schriftsteller rezensiert, macht dem Leser das Leben nicht leichter, als es ist.
Was den Leser erwartet? Ein Roman „über das Schreiben, das Sehen und die Täuschung, Liebe­sgeschichte, Mediensatire und Metakrimi gleichermaßen“, verheißt der Klappentext. Klook erzählt einen Lebensabschnitt von Autor Marc, der sich beim Schreiben eines Krimid­rehbuches zwischen Buch-Handlung und Leben, seinen Fantasien und inszenierter Realität ver(w)irrt. Lauenburg und das Spezifische der Region kommen dabei nicht zu kurz, weshalb der Vergnügungsquotient für Einheimische hoch ist. Sowohl Klooks unaufgeregte, aber präzise Beobachtung des typisch Kleinen im globalen Vergleich, seine Fabulierfreude, das Zitieren monströser Fremdtexte, das Begrif­fespinnen und Ausreizen von Gedanken, das Gegeneinander-Ausspielen von Wort und Sinn wird Leser, die Freude an so etwas haben, leicht bezirzen. Offenkundig hatte der Schriftsteller und Kulturjour­nalist seinen Spaß daran, Geschichte und Umgebung, Natur, Tourismus und die „Heiligtümer“ der Lauenburger aufzuspießen, mal süffisant, mal staubtrocken.

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Schwan frisst Skript. Hamburger Fernsehdramen

Von Birgit Friebel (Letterbox-Pirilamponews, 3. 1. 2012)

Ein Drehbuchautor hat eine Schaffenskrise und das in Hamburg. Er scheppert sich so durch die Tage und sucht immer noch nach einer Kriminalstory. Dabei lässt er keine Quelle aus, seine Freunde verwandeln sich zu einem Teil der Geschichte, Artikel aus Zeitungen werden gezielt nach möglichen Krimiereignissen abgesucht und hinter jedem Busch vermutet er eine Leiche oder einen Mörder.
   So ist das, wenn man verzweifelt ein Drehbuch schreiben muss, das Fernsehen den Termin festgelegt hat und man sich eigentlich eher verlieben möchte, als an dieser Geschichte nun weiter zu basteln. So fliegt dann das Skript auch aus dem Fenster und wird prompt gefressen von einem Schwan, der auf der Elbe schwimmmt.
   Die Versuche gehen dann noch weiter. Wer schon einmal an einer längeren schriftlichen Arbeit gesessen hat, kann das, was da der Hauptperson passiert ist, nachvollziehen.
   Ein sehr lebendiger und manchmal auch lustiger, sprachlich oft brisanter Roman, der zunächst als Krimi daherkommt, dann eher eine Schreibkrise und Liebesgeschichte zum Gegenstand der Erzählung hat.
   Carsten Klook lebt als Schriftsteller in Hamburg. Vor Stadt unter erschienen bereits andere Romane von ihm.

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Angenehm sperriger Krimi mit Wasserleiche: Stadt unter
Psychedelischer Realismus von Carsten Klook

Von Michele Avantario (Szene Hamburg, Dezember 2011)
 
Personen und Handlungen seien frei erfunden. Lauenburg/Elbe diene nur als Kulisse für diese fiktive Geschichte. Das versichert der Einlauftext auf Seite vier. Vorweg: Es macht mehr Spaß, das nicht zu glauben. Faktisch passiert in den folgenden 34 Kapiteln nicht viel. Das meiste spielt sich im Kopf des Protagonisten Marc ab, der während mehrerer Aufenthalte im besagten Städtchen als Drehbuchautor für eine TV-Krimiserie recherchiert. Sprachlich und erzählerisch sich alle Freiheiten nehmend, beschreibt Carsten Klook höchst amüsant und angenehm sperrig das ständige Hadern und Scheitern Marcs auf der Suche nach dem Clou für seine Geschichte: Woher kommt die Wasserleiche? Wer hat sie warum zu einer solchen werden lassen? Wer löst wie den Fall? Marc taucht so tief in seinen Stoff ein, bis die unausgearbeiteten Charaktere im Traum zu ihrem Schöpfer sprechen und die Realitätsebenen verschwinden. Die Rahmenhandlung – sozusagen zum Durchatmen in der echten Wirklichkeit – wird bestimmt von Redakteurin Hilde Brammert, die Marc zur Abgabe des Drehbuchs drängt, und von einer Normopathin namens Jill, mit der Marc anbändelt und die ihm während einer plötzlichen Augenerkrankung beisteht. Klar, dass der Job nicht fertig wird und es schließlich kommt, wie es kommen muss: Genervt vom stockenden Script nimmt der eigentlich fiktive Kommissar Hock die Dinge selbst in die Hand und macht dem Ganzen ein unappetitliches Ende. Der hat Nerven. Aber wer denn jetzt? Der Hock? Der Marc? Der Klook? Ein rundum psychedelisches Vergnügen.
 
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„Die jeweils mehrschichtig verwobenen Handlungsstränge spielen teilweise in Lauenburg, verweben Fiktion und Realität höchst amüsant. Klook überrascht mit neuen Sprach- und Bilderspielen, nimmt Worte und Bedeutungen auseinander. Er verquickt Tagebuch- und Boulevardstil ebenso gekonnt, wie er Rituale, Missverständnisse und Klischees seziert. Der Zuhörer oder Leser fühlt sich oft ertappt – und ist fortlaufend gefordert: Stipendiat Klook kombiniert und phantasiert ohne Scheu, präsentiert fast immer eine Geschichte in der Geschichte in der Geschichte.“  (Eva Albrecht, RZkultur)

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„Durch lange, verwinkelte Sätze gekoppelt an bildreiche Vergleiche, die zumindest passagenweise eher an Poesie als an Prosa erinnern, lässt Carsten Klook einen Sog entstehen, der den Zuhörer in seinen Bann zieht.“

(W. Brütt, Lauenburgische Landeszeitung)
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„In schier endlos langen Sätzen bedient sich der Autor einer Schreibweise, die von der Fiktion in der Fiktion getragen wird. Durch die Aneinanderreihung von Wiederholungen bekommen seine Dialoge einen beschwörenden, fast hypnotischen Anstrich.“

(Ute Dürkop, Lauenburger Rufer)

 

Zur Lesung in Lauenburg im Februar 2012 sind diverse Artikel erschienen …