DIE PRESSE schrieb über den Roman „Korrektor“:

Literarische Stadtrundfahrt am 11. 10. 2009: „Korrektor“


Öjendorfer Park, Boberg und Mümmelmannsberg sind einige der Orte in Hamburg, an denen der Roman „Korrektor“ von Carsten Klook spielt. In einer Mischung aus experimentellem Sprachspiel und narrativ-funktionierender Cutup-Montage erzählt der Familienroman mit seinem Helden Bernd Skomovski vom Erwachsenwerden. In den späten 80er Jahren, kurz vor dem Mauerfall, ist dieser Bernd gerade 29 Jahre alt geworden und mal wieder als „Blumengießer“ zu Gast in der Hochhauswohnung seiner verreisten Eltern in Billstedt. Damit beginnt eine sprachverliebte Erinnerungsspur, die bis in die 60er Jahre zurückreicht. Dem Zeitkolorit aus höhenverstellbaren Couchtischen, sozialem Wohnungsbau, Rockern, SPD und RAF gewinnt dieser Skomovski mit seiner Geschichte etwas ganz Eigenes und Unverwechselbares ab, weil sein Vater Korrektor von Beruf ist und er sich vorgenommen hat, mit einem lebenslangen Missverständnis des Vaters aufzuräumen: „Was nicht im Duden steht, gibt es nicht!“ Dem Motto des Vaters trotzend begibt sich Bernd auf die Suche nach einer eigenen und unverwechselbaren Welt. Bei einer Fahrt im Reisebus durch Billstedt präsentiert Carsten Klook seinen im Textem-Verlag erschienenen Roman und seine Spielorte. Abfahrt: Landungsbrücken (Busareal vor dem Alten Elbtunnel), 16.00 Uhr. Eintritt: 5.- Euro. (Der Reisebus trägt ein Schild mit der Aufschrift „Lesung“.)

Literatur in Hamburg, Oktober 2009



Elektrisch: Carsten Klook im Stakkato seiner Jugend
 
1988, eine Plattenbausiedlung mitten im Mediengewitter: Nachrichten, Werbung, Videoclips. Der 28-jährige Bernd rekapituliert sein Leben. Natürlich geht es um den Vater: Der Vater korrigiert. Meistens Manuskripte, manchmal auch seinen Sohn. „Was nicht im Duden steht, das gibt’s nicht!“ stellt er unbeirrbar fest. Der Sohn muss sich ducken. Er flüchtet in die Musik und in die Krankheit. Lärmend ziehen die 1970er Jahre vorbei, mitsamt Schulstunden, unerfüllten Begehrlichkeiten und haufenweise Schallplatten. RAF, Led Zeppelin, Aktenzeichen XY: Die Realität beginnt, selbst für den Korrektor unübersichtlich zu werden. Liegt darin Bernds Chance? – Der Hamburger Autor Carsten Klook (geb. 1959) fasst seine Geschichte so zusammen, wie er sie erlebt hat: fragmentarisch, pulsierend und vom Beat harter Rockmusik durchzogen. Seinem Buch ist nichts Nostalgisches zueigen. In kurzen, stark sprachspielerisch gehaltenen Kapiteln wird die Unübersichtlichkeit der Welt weder beklagt noch beklatscht, sondern schlicht konstatiert. Eiskalte Momentaufnahmen mit hohem Lautstärkepegel. (kuj)

Kieler Nachrichten, Mittwoch, 1. März 2006, Nr. 51
 

 
Am 3. Oktober 2005 fand im Westwerk in Hamburg die Release-Party zu Carsten Klooks erstem Roman „Korrektor“ statt, natürlich inklusive Lesung. In gemütlicher Bionaden-Atmosphäre schreitet Klook durch den kleinen Raum zum Podest, setzt sich und beginnt mit angenehmer Stimme zu lesen. Soweit alles entspannt. Doch so recht einlullen wollen mich die Worte nicht. Er spricht, ich verstehe Wörter, ich verstehe einige Sätze, aber wenige Zusammenhänge. Doch das sind nur Startschwierigkeiten. Bald finde ich mich in seinen Stil hinein, kann ihm besser folgen. Mir eröffnet sich, wie geballt Klooks Sätze verschachtelt mit Inhalten sind; verworren, grammatikalisch verdreht, abgekürzt, zerstückelt und neu zusammengesetzt ergeben Silben neuen Sinn, drehen sich im Kreis und bleiben letztendlich in doppelter oder vielleicht dreifacher Bedeutung stehen. Doch während ich über einen der zahlreichen Wortwitze lache oder einfach dem Klang eines Satzes nachhänge, die Gedanken weiter spinne und einzuordnen versuche, liest er vorne natürlich weiter, macht keine Pausen in denen ich das erstmal alles „sacken lassen“ kann. So verpasse ich ab und zu ganze Absätze, in denen neben mir herzlich gelacht wird. Macht aber nichts, denn ich finde selbst auch genügend witzige und interessante Passagen.
 
Mir wird jedoch klar: Dieses Buch muss ich selbst lesen, um es ausreichend verstehen zu können. „Korrektor“ ist ein Buch, das ich in meinen Händen halten muss. Manche Sätze muss man einfach langsam oder auch mehrmals durchgehen, manche Wörter gedruckt vor sich sehen: „Religion heißt Falten, was das Zeug hält, nochmal und nochmal, ordentlich, scharf- und weichkantig, in sich falten, einfältig, dreifältig, vielfältig im Zähfinger-System.“
Ich werde nicht enttäuscht: Dieses Buch bringt Spaß. Vielleicht nicht gerade, weil die Geschichte extrem spannend wäre, eher, weil sie so sprachverliebt, verspielt und lebensnah erzählt wird. Der Protagonist namens Bernd Skomovski, den wir durch seine Lebenserinnerungen im tristen Hamburger Stadtteil Billstedt begleiten dürfen, enthüllt entsetzliche Geschichten über seine Eltern, insbesondere über seinen Vater, der der „Korrektor“ ist. Von Beruf beim Axel-Springer-Verlag. Aber nicht nur das: Auch privat, in seinen eigenen vier Wänden, bleibt er der Korrektor, der seinen Sohn mit Schnipseln aus dem Duden zum Untertan der deutschen Sprache taufen will. Seine Liebe äußert er mit „medikamentös unterstützter Fürsorge“ für den Jungen, der von einem chronischen Husten geplagt wird. „Hast du heute schon durchgehustet, hast du heute schon eine Tablette genommen?“, fragt der Korrektor täglich. Immer mehr festigt sich in Bernd das unschöne Selbstbild, dass er alles andere als die Idealvorstellung des perfekten Kindes ist.
 
Im Pressetext heißt es: „Der Roman ist ein Spiegel-Kabinett aus Zeit- und Nabelschau, eine Montage fataler Imagination und wütender Erkenntnis. Er zerlegt, was sich nicht mehr herstellen lässt – die Geschichte.“ Die Geschichte ist es also, worum sich diese Geschichte dreht. Bernd, jetzt 29 Jahre alt, erinnert sich an seine Kindheit in den 60er Jahren, an seine Pubertät, an seine Familie, an Lego-Steine, an seine Klassenlehrerin, an Planschbecken, an Oma und an Plattenbauten. Aber auch an seine Selbstzweifel und Ängste, die in die behütete Kinderzimmer-Welt eindringen. So spinnt sich eine Geschichte in entzückend heimeliger Atmosphäre, in der man sich hier und da sicher wieder findet.
Carsten Klook schreibt sehr individuell und mit spritzigem Humor. Der Roman ist voll von ausgetüftelten Sätzen, in der er die deutsche und englische Sprache zerlegt und eigenwillig neu formuliert. Trotzdem wirkt sein Stil nicht konstruiert, sondern flüssig und authentisch. Klook entscheidet sich gegen den Duden als Maß über Gut und Böse und zeigt, dass es sich auch mit spielerischer und assoziativer Sprache fehlerfrei, beziehungsweise „korrekt“, schreiben lässt.
 
CORINNA SCHEYING, P*U*S*H* Magazin, Februar 2006
 
 
Post-Pop

Betonwüstene Wohnghettos in Hamburg-Billstedt, Fürst-Pückler-Erinnerungen an frühe Iglo-Tage, unerlöste Klammer-auf-Klammer-zu-Schicksale" – und mittendrin Adoleszenten, die in englischen Pop-Musik-Zitaten denken und wenig Sex, aber dafür viel Drugs'n'Rock'n' Roll haben. Das Szenario in Carsten Klooks Kurzgeschichten und seinem Roman Korrektor ist allzu bekannt und daher immer wieder gern gehört.
 
Was die Regners und Goosens vorgemacht haben, es lässt sich in immer neuen Facetten noch einmal erzählen. Erinnerungsarbeit der Post-Pop-Literaten, die nach den immerhin noch halbwegs gegenwärtigen 90ern nun zwei Jahrzehnte vorher aufrollen und abschnurren. In die neue Stereo-Kultur-Bar Weltruf mit ihrem Retro-Charme eines englischen Pubs passt solche Vintage-Prosa freilich perfekt – eine schöne Premiere für die Lesungen, die regelmäßig dort stattfinden sollen. Und da passt es auch gut, dass Weltruf-Betreiber Jens Lause hernach die Prä-Popperin Hildegard Knef auflegt – übrigens von einem Sampler des Hamburger Labels "Marina Records" von Frank Lähnemann, dessen Roman Polyesterliebe den zweiten Teil der Lesung bestreitet.
 
Doch zurück zu Carsten Klooks Korrektor, einer Vater-Sohn-Geschichte, sich auflehnend aus der Kinderzimmerenge, wie man das in den 70ern eben tat. Wo Klook in seinen Kurzgeschichten recht konventionell durch Kneipen und abgestürzte Partys zieht, wortmetzt er im Roman mit jener (pop-) bildungshubernden Sprache des kulturbeflissenen Vaters, gegen dessen "Lernbelästigung" sich Sohn Bernd zu behaupten sucht. Manche Metapher ist da von preziöser Schönheit, manche aber auch von platter Gewähltheit: "Sprachlosigkeit ist der Hustensaft der Andersdenkenden", heißt es da. Und man sagt als Zuhörer: Na ja ...
 
Kieler Nachrichten, 4. 2. 2006
 

 
Oh zack! und klong! und durchgetüftelt. Was wird denn da für ein Buch aus den achtziger Jahren herübergeschleudert zu uns, in unsere Gegenwart? Wie wird denn hier gewütet gegen die Sprache, gegen die Wörter, gegen die Grammatik der Geschichte? Carsten Klooks Roman "Korrektor" (Textem Verlag, 200 Seiten, 18 Euro) ist der Bericht von einer plötzlichen Erinnerung. An eine Kindheit in Hamburg-Billstedt. Erinnerung als Protest gegen den Vater, den Korrektor, und dessen Lebensleitsatz: "Was nicht im Duden steht, das gibt es nicht." Dieser Roman beweist das Gegenteil. Die Wahrheit steht nicht im Duden. Die Wahrheit ist im Kopf und in der eigenen Sprache. Wörter sind beweglich. Das Leben plötzlich, gefährlich und gegen alle Regeln wahr.
 
VOLKER WEIDERMANN, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung, 11. 12. 2005



Buch des Monats
 

Das Buch, das ich diesen Monat empfehlen möchte, stammt von Carsten Klook und heißt „Korrektor“, erschienen im Textem Verlag. Es beschreibt, grob gesagt, eine Jugend in den 60er und 70er Jahren im Hamburger Stadtteil Billstedt. Der Autor wurde 1959 geboren. Und ich verbinde mit der Szenerie, die dort beschrieben wird, sehr viel. Ich bin ungefähr im selben Jahrgang, plus/minus fünf Jahre, und erkenne einfach sehr, sehr viele Sachen wieder und glaube, dass es doch einige Leute gibt, die einiges von dem nachempfinden können, was der Autor dort beschreibt. Mir gefällt wirklich der Stil, der sehr schwer einzuordnen ist. Der Autor schreibt fragmentarisch, sehr subjektiv, assoziativ ... also, das macht Spaß ... man liest den Roman sehr schnell. Er hat ein ungeheures Tempo und einen ungeheuren Witz, wie ich finde. Also, der Buchtipp des Monats lautet: „Korrektor“ von Carsten Klook.
 
TORSTEN M. KROGH,
Radiosendung LiteraTide auf Tide 96,0 vom 7. November 2005



Schon Anfang der 90er Jahre hat Klook seinen Roman, der nun im Textem Verlag erschienen ist, fertiggestellt, lange bevor in den Feuilletons jede zweite Kritik eines neuen deutschen Romans einem „Familien- oder Entwicklungsroman“ gewidmet war. Heute kann sein „Korrektor“ als früher Vorläufer der zahllosen Familiengeschichten, die gegenwärtig erscheinen, gelesen werden.

JÜRGEN ABEL, Literatur in Hamburg, Oktober 2005

 

Aus der Jurybegründung von Tobias Gohlis zum Förderpreis der Hamburger Kulturbehörde 1991:

Textfetzen populärer Musik, 24-Stunden-Fernsehen und der Sprachmüll der Reklamen rasen um den "allergischen Reaktor", den durch sein Asthma unbeweglichen Protagonisten des Romans. Mit einer stellenweise hochartistisch rhythmisierten Sprache von enormer Assoziationsbreite wütet Klook gegen die Hochhauswelt an, setzt die Aggressionen des einbetonierten Individuums in Abwehr- und Überlebenssound um. Einige selbstverliebte und übersteuerte Passagen gehören zum hohen Risiko einer solchen Erzählweise, die mit Innovationskraft ein beinahe schon ausgelutschtes Thema der Zivilisationskritik attackiert.